Ein richtig guter Roman liest sich schnell, locker und flockig, und so manches Mal wünscht man sich, man hätte ihn selbst geschrieben. Nicht selten ist der ein oder andere Laie auch tatsächlich der Meinung, er hätte es mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser gemacht, wenn ihm diese Idee doch nun zuerst eingefallen wäre.

Aber gute Ideen, ja, wo nimmt man sie her? Ob in Filmen, Serien oder eben in Büchern, überall scheint die Handlung ganz natürlich dahinzuplätschern. Warum gelingt einem nicht selbst der ganz große Coup?

Das ist einfach zu erklären. Denn das, was für den Leser oder den Zuschauer so selbstverständlich aussieht, ist in Wahrheit harte Arbeit. Etwas Talent gehört natürlich dazu, aber die restlichen 90% bestehen aus Fleiß, Disziplin und dem Handwerk.

Schreibschulen sind rar gesäht und noch dazu ziemlich teuer. Die wesentlich einfachere Methode ist da, zur Ratgeberliteratur zu greifen. Wer schon einmal ausführlich nach „Schreiben lernen“ oder „Romanschreiben“ gegoogelt hat, der wird sich ziemlich schnell überfordert gefühlt haben. So viele Buchtipps! Doch welches ist denn nun das Beste?

Die Frage können wir heute leider nicht beantworten, aber wir können eines der Werke besprechen, das in diesem Zusammenhang immer und immer wieder genannt wird: James N. Freys „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“:

James N. Frey als den wohl bekanntesten amerikanischen Schreibcoach zu titulieren, dürfte wahrlich nicht übertrieben sein. Er ist Dozent für kreatives Schreiben an der University of California und hat auch selbst neun Romane veröffentlicht. Der Mann weiß also, wovon er spricht. Ruhm erlangte er dann, als er beschloss, sein Wissen nicht nur mit Studenten, sondern mit Hobbyautoren auf der ganzen Welt zu teilen.

Wie schreibt man sein eigenes Buch?

Doch wie schreibt man ihn nun, den „verdammt guten Roman“? Dazu klärt James N. Frey erst einmal die Grundlagen. Es geht nicht darum, persönliche Eitelkeiten auszuleben, sondern ausschließlich den Interessen des Lesers gerecht zu werden. Das bedeutet natürlich, dass man nicht davon ausgehen darf, dass andere gern das lesen, was wir selbst interessant finden.

Um wirklich Spannung zu erzeugen brauchen wir an erster Stelle eine Prämisse. Darunter versteht man so etwas wie die Botschaft des Buches in einem Satz. Was wollen wir beweisen? Wohin soll uns das, was wir Schreiben, führen? Dabei geht es nicht nur um die Handlung selbst, sondern das, was dahinter steht. Warum stürzt der Held sich mutig in den Kampf? Warum verlässt Sieglinde ihren Mann? Was bringt den Stein ins Rollen?

Aber eine Prämisse allein schafft noch keine Spannung. Natürlich muss man auch die Regeln des Plotaufbaus beherrschen. Was ist der perfekte Anfang? Wo setzt man an? Und wie macht man es, dass die Leser nachher buchstäblich die Luft anhalten müssen? Das Geheimnis nennt sich „Schmelztiegel“. Wir müssen einen Konflikt schaffen und diesen so ausarbeiten, dass am Ende zwei verfeindete Personen oder eine Person und eine brenzlige Situation aufeinandertreffen und keine Chance mehr haben, sich auszuweichen.

Das Wichtigste ist jedoch die Ausarbeitung der Charaktere. Hat man keine interessanten Figuren, kann auch die Handlung nur hölzern und unnatürlich wirken.

Schlussendlich geht es dann um den Stil: Um den perfekten Dialog, um Erzählerperspektiven, um Rückblenden oder darum, um mit allen Sinnen zu beschreiben.

Ist Freys Buch besser als andere?

Was ist nun der Unterschied zwischen vielen anderen, zum Beispiel deutschen Ratgebern?

Ich persönlich störe mich immer wieder an unserer deutschen Steifheit. Das mag ein Klischee sein, ich weiß, aber ich habe das Gefühl, Deutschen ist es wichtiger als Experten zu gelten als unterhaltsam zu sein. Viele Abhandlungen sind über die Maßen genau, dass sie fast schon als wissenschaftlich gelten.

Viele ihrer amerikanischen Kollegen haben hingegen keine Scheu, selbstdarstellerisch oder auch mal überheblich zu sein. Vielleicht redet ein Amerikaner auch mal Blödsinn oder macht sich lächerlich, aber mit seiner offenen Art – kombiniert mit seinem scharfen Blick trifft der den Nagel viel häufiger genau auf den Kopf.

James N. Frey ist locker und nimmt sich selbst nicht zu ernst. Besonders gefallen hat mir, dass er seine eigenen Romane nicht gelobhudelt hat (wie es z.B. Elizabeth George in ihrem Schreibratgeber tut), sondern sich auf ein breites Genre von Werken, die fast jeder kennt, beschränkt hat: „Der Spion, der aus der Kälte kam“, „Lolita“, „Der Pate“, „Ein Weihnachtslied in Prosa“, „Der alte Mann und das Meer“ und „Madame Bovary“.

Selbst wenn man keinen dieser Klassiker gelesen hat, machen Freys Abhandlungen einfach nur Spaß. Er erklärt die Theorie, um anschließend gleich aufs Beispiel zu verweisen. Besser geht’s nicht.

Aber natürlich sollte man meine persönliche Euphorie auch nur relativ betrachten.

Ja, Frey kann gnadenlos gut unterhalten und deckt eine breite Palette an Basics ab. Aber seine Tipps sind eher etwas für Einsteiger oder für Autoren, die sich auf Mainstream- und Unterhaltungsromane beschränken wollen. Er wählt vielleicht einmal zu häufig die „du musst“-Methode und lässt weniger Freiraum in Richtung „du darfst“. Dadurch besteht die Gefahr, dass wir zwar alle perfekte Heftromane nach Schema F schreiben können, aber wohl eher keinen Bestseller. Für anspruchsvolle Literatur oder Kreativität ist hier kein Platz.

Aber wie heißt es nicht so schön? Man muss die Regeln kennen, um sie zu brechen. Man muss Freys Anleitung nicht 1:1 befolgen, aber um wirklich gut schreiben zu können, sollte man sie verstehen.

Abgerundet wird James N. Freys „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“  dann mit einem Kapitel, in dem er sich mit Wahrheiten rund um das Schreiben und um das Leben eines Autors beschäftigt. Er betont immer wieder, dass uns nur Sitzfleisch, unbedingter Willen und viel Arbeit zum Ziel bringen werden. Die Themen, um die es dabei auch geht: Zeitmanagement, das ewige Überarbeiten und um Alkohol.

Fazit:

Wer glaubt, allein mit Freys Hilfe einen „verdammt guten Roman“ schreiben zu können, der erwartet zu viel. Sein Buch vermittelt Grundlagen und motiviert, mehr vermag es leider nicht. Sich hinsetzen, fluchen, sich die Haare raufen, sich quälen und das Ding schlussendlich mit viel Schweiß selbst zu Papier bringen – da kommt man trotzdem nicht drum herum.

Wenn es am dann Ende doch nicht zu einem eigenen Buch reicht, hat man hier zumindest unterhaltsame Einblicke in ein paar bedeutende Werke der Weltliteratur bekommen.