Es gibt nur wenige Autoren, von denen ich wirklich jeden einzelnen Roman gelesen habe – und zwar auch genau in der Reihenfolge und immer zeitnah nach dem Erscheinen. Cecilia Ahern gehört dazu. Und auch, wenn ich nicht mit jedem Buch einverstanden war, bleibe ich ihr treu.

Ihr neuestes Werk heißt „Ein Moment fürs Leben“; und der Titel ist durchaus wörtlich zu nehmen.

 

Inhalt

Lucy Silchester ist eine fröhliche und ausgeglichene Frau kurz vor ihrem 30. Geburtstag. Sie liebt ihre Unabhängigkeit, ihr Singledasein, ihren Job als Übersetzerin und ihre Freunde, und wenn sie überhaupt einen Wunsch hat, dann den, dass alles beim Alten bleibt. Wie kann es dann sein, dass sie eine Einladung von einer bekannten Lebensagentur erhält, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen zu helfen, die den falschen Weg eingeschlagen haben? Ihr Leben höchstpersönlich will sich mit ihr treffen.

Ihr fragt euch vielleicht „Hä, wie jetzt?“? Ja, das habe ich auch getan. Also um es kurz zusammenzufassen: Lucys Leben ist ein ganz normaler Mensch, keine magische Figur. Man kann ihn sich als eine Art Büroangestellten vorstellen, der ihr gesamtes Leben in Akten, auf dem PC und in seinem iPhone abgespeichert hat, und dessen Aufgabe es ist, sie das erkennen zu lassen, was er sieht, und dafür zu sorgen, dass sie ihn, also ihr Leben, lieben lernt.

Wer schon andere Romane von Cecilia Ahern gelesen hat, der weiß, dass sie oftmals sehr stark in diese Mark-Levy-(„Solange du da bist“)-Romantic-Fantasy Ecke driftet. Man muss in der Lage sein, es einfach so hinzunehmen, sonst kommt man bei diesem Buch nicht weiter. Entweder man mag es, oder man mag es nicht.

Nachdem Lucy nun die vielen Einladungen, die mittlerweile auch auf Arbeit und bei ihren Eltern eingetroffen sind, nicht weiter ignorieren kann, willigt sie ein, und trifft sich mit ihrem Leben. Und sie ist geschockt. Zum einen, weil er männlich ist, zum anderen, weil sie ihn ungepflegt, unattraktiv und regelrecht abstoßend findet. Außerdem ist er rüpelhaft und unfreundlich. Das soll ein Teil von ihr sein?

 

Der Schein trügt

Lange scheint es, als wäre das Leben nur ein nerviger Anhang, der Lucy mit Dingen behelligt, die unterm Strich zu nichts führen, und vielmehr dafür sorgen, dass sie es sich mit ihrem Umfeld verdirbt.
Dann erkennt der Leser aber langsam, dass bei Lucy vielleicht doch nicht alles so paletti ist, wie sie dauernd sagt. Ihr Vater scheint sie zu hassen, zu ihrer Mutter hat sie kein Verhältnis, und ein paar ihrer Freunde können sich fiese Sticheleien nicht verkneifen. Ständig lügt sie und erfindet Ausreden, sie vertröstet Menschen oder vergisst sie absichtlich, kümmert sich um niemanden, ist schlampig auf Arbeit und tut die Hälfte der Zeit nur so, als würde sie arbeiten, und ist faul und antriebslos.

Was stimmt nicht mit ihr? Seitdem sie vor 2 Jahren von ihrem perfekten und wundervollen Freund Blake verlassen wurde, der nun ohne sie die Welt bereist und Menschen mit seiner Lebenslust ansteckt, hat sie sich komplett in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, und kann nicht mehr aufhören zu lügen. Lügen, dass alles okay ist, dass sie es war, die ihn verlassen hat und lügen, dass sie ihren alten Job, ihre wunderschöne Wohnung und ihr neues Auto freiwillig aufgeben hat. Belügt sie vielleicht auch sich selbst?

 

Ein ausgelagerte Teil von sich selbst

Ich fand die Idee, einen Teil von sich selbst auszulagern, zu personifizieren, und ins eigene Leben treten zu lassen wirklich großartig, aber in diesem Buch leider nicht optimal umgesetzt.

Es hat mich extrem gestört, dass jeder Charakter im Roman es total normal fand, dass es so etwas wie eine Lebensagentur und einen abgespaltenen Teil von sich selbst gibt. Es wurden verschiedene Andeutungen gemacht, zum Beispiel, dass die jeweiligen Leben stinknormale Menschen sind, die nicht im Himmel leben und auch keine Zauberkräfte haben, aber zur vollkommenen Zufriedenheit wurde es nie erläutert.

Erst dachte ich, okay, das Leben ist also tatsächlich ein ganz normaler Angestellter, der nach Feierabend sein eigenes Privatleben ohne Lucy führt. Dann verstehe ich allerdings nicht, warum das Leben denn keinen Namen hat, warum er es organisieren kann, dass sich die Wege bestimmter Menschen kreuzen, und warum er Ausschlag bekommt, wenn Lucy falsche Entscheidungen trifft?

In einer kleinen Kurzgeschichte könnte man so etwas als Metapher verstehen, in einem Roman finde ich es aber wichtig, dass die Welt, in der die Figuren sich bewegen, auch erklärt wird. Jeder andere Fantasy-Autor tut das in gewisser Hinsicht; hier haben mir aber zu viele Details gefehlt.

Außerdem waren mir sowohl Lucy als auch ihr Leben ziemlich unsympathisch. Gegen Ende hat sich diese Antipathie ein wenig gelegt, aber gut 200 bis 300 (von 400) Seiten habe ich kein Verhältnis aufbauen können. Lucy ist egoistisch und langweilig, sie stößt Menschen von sich weg, denkt gemeine Dinge und fühlt sich dabei erhaben und die ganze Zeit auch noch im Recht. Auch wenn das alles seine Gründe hat, finde ich sie nicht ausreichend, um ihr Verhalten zu entschuldigen. Sie ist nicht mitleidig, traurig und depressiv. Dass bei ihr etwas schief läuft, zeigt sich darin, dass sie ein ätzender Mensch geworden ist. Niemand ist ihr wirklich wichtig, und niemand ist vor ihrem Hohn sicher.

Ihr Leben ist auch nicht besser. Immer dann, wenn Lucy lügt oder sich aus der Affäre winden will, stellt er sie ohne Scham bloß. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal als Teil von ihr gesehen, sondern als eigenständige Person, die auf eine ganz andere Weise nervig war. In den meisten Szenen hat er mich wirklich gestört; ohne ihn wäre die Geschichte sicher um einiges schöner gewesen.

Lucy hat später von den Menschen in ihrer Umgebung erwartet, dass sie ihr Leben als einen ausgelagerten Teil von sich wahrnehmen, und nicht als eigenständige Person mit eigenem Charakter. Aber wie soll das gehen? Auch als Leser konnte ich das nicht. Lucys Leben ist ein neunmalkluger Mann, der immer dann auftauchte, wenn man wirklich nichts von ihm lesen wollte.

Ich konnte leider keinerlei Beziehung zu ihm aufbauen. Und mal wirklich: Einen Mann als Freund zu lieben, ihm zuzuhören und auf das einzugehen, was er sich wünscht, ist für mich etwas komplett anderes, als sein Leben zu lieben. Das kann man doch nicht miteinander vergleichen?! Mein Leben ist das, was sich ergibt, wenn ich, als vollständige Person, Entscheidungen treffe. Mein Leben ist nicht meine Seele, nichts was in mir drin steckt, kein Teil von mir, nicht meine Intuition und auch nichts anderes, was mir leise etwas zuflüstert. Men Leben ist keine Konstante, und es nicht greifbar. Ich fand das unlogisch!

 

Fazit

Zum Schluss nimmt der Roman durchaus an Fahrt auf und wird spannend, besonders auch, was das Verhältnis zu den aristokratischen und unterkühlten Eltern betrifft. Aber alles in allem ist „Ein Moment fürs Leben“ definitiv keines von Cecilia Aherns besten Büchern. Für absolute Fans würde ich es als durchschnittlich empfehlenswert bezeichnen. Aber viele andere verbinden mit ihrem Namen immer ihren ersten Bestseller „PS Ich liebe dich“; und von diesem recht normal verlaufenden Schicksalsroman haben sich ihre Geschichten mittlerweile meilenweit entfernt. Ich liebe ihren Stil und ihr Gefühl, und werde auch ihr nächstes Buch kaufen, aber für Menschen wie meine Mutter zum Beispiel, ist das, was sie schreibt, etwas, was so manch einer als abgefahren, esoterisch oder schlichtweg als Spinnerei bezeichnen würde.

Sie versucht den Bogen von Sinnlichkeit über Persönlichkeitsentwicklung und Selbsterfahrung zu spannen, und übertreibt dabei ziemlich. Es wirkt einfach zu aufgesetzt und gewollt, als dass uns die Erkenntnis wirklich subtil treffen und tief berühren könnte.