Wären Autoren Restaurants, dann könnte man den brasilianischen Autor Paulo Coelho als McDonalds bezeichnen. Quasi im Vorbeigehen haut er seine Bücher als Massenware raus. Er ist überall präsent und betreibt perfektes Marketing. Aber seine Fans lieben ihn trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen?
Fast jedes Jahr erscheint ein neuer Roman; so gut wie jeder davon avanciert zum Bestseller. Manche davon werden sogar verfilmt, so wie „Veronika beschließt zu sterben“.

Darin geht es um eine junge Slowenin, Veronika, die des Lebens müde geworden ist. Der Alltag, der praktisch nur aus Arbeit, Essen und Schlafen besteht, frisst sie auf, und das einzige, was Sie noch emotional aufwühlen kann, ist die politische Lage Ihres Landes. Um dem ein Ende zu bereiten, beschließt Sie, eine Überdosis Schlaftabletten einzunehmen. Leider oder auch zum Glück misslingt dieser. Sie wacht in einer psychiatrischen Anstalt mit dem Namen Vilette wieder auf – enttäuscht darüber, dass Sie Ihr Dasein weiter fristen muss.
Als der Anstaltsleiter – Dr. Igor – auf Sie zukommt und Ihr erklärt, dass die Schlaftabletten bei Ihr einen irreparablen Herzfehler verursacht haben, an den sie binnen weniger Tage sterben wird, verändert sich etwas in Veronika.
Man nimmt ihr damit die Kontrolle über ihr eigenes Leben. Das alles nicht mehr haben zu wollen, ist eine Sache, aber es nicht mehr haben zu dürfen, löst etwas in ihr aus. Plötzlich keimt leise Wehmut auf. Sie versucht diese zwar zu verdrängen und sich zu sagen, dass es doch genau das ist, was sie erreichen wollte, aber im Endeffekt ist es wie ist: Veronika muss sterben und dieser Gedanke erschüttert sie.
Denn gerade in dieser Psychiatrie hat sie das Leben mit all seinen Facetten neu entdeckt; spürt und schmeckt es neu. Weil sie keine Zeit mehr hat, entscheidet sie sich dazu, ihren Kindheitstraum Pianistin zu werden, zu leben. Sie spielt zwar nicht für Geld, aber durchaus für ein Publikum: Für einen schizophrenen jungen Mann, in den sie sich auch verliebt. Aber auch die anderen Patienten schaffen es, Zugang zu ihrem Herzen zu bekommen.
Jetzt, wo nichts außer die letzten Tage wichtig ist, kommt Veronika aus sich raus. Sie bricht die Regeln, ist laut, ist unangepasst, ist alles, was sie immer sein wollte … und ist glücklich. Leider kommt all das zu spät. Oder vielleicht doch nicht?

Auch wenn viele Paulo Coelhos Bücher als Mainstreamliteratur sehen, darf man hier keine leichte Kost erwarten. Er, der ja selbst eine Zeit lang Patient in einer psychiatrischen Klinik war, schreibt philosophisch, leichtfüßig und wirklich schön.

Ich finde es jedoch schade, dass er Veronika selbst in diesem Roman, der bei ziemlich großer Schrift nur 223 Seiten hat, zu wenig Raum schenkt. Er schlüpft auch in die Köpfe der anderen Patienten, und erzählt deren Leben jeweils aus ihrer Perspektive. Nicht dass das uninteressant wäre, ganz und gar nicht, aber dabei verliert die Geschichte etwas an Identifikation und Tiefe.
Die eigentliche Botschaft – also lebe heute, denn morgen könnte es zu spät sein, und verschiebe Dein Leben nicht und Du wirst wahres Glück empfinden, verkommt dabei so ein bisschen zum Klischee. Veronika ist schlussendlich gar keine wirkliche Hauptfigur, denn ihr Leben wird nicht wirklich tiefer beleuchtet, als das der anderen.

Für das filmreiche Hollywood-Ende muss man dann gemacht sein. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, kann ich sagen, dass man es entweder mag oder eben nicht. Ich persönlich konnte mich damit arrangieren, ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass viele, gerade vor dem Hintergrund dieses ernsten Themas, genervt den Kopf schütteln werden.

Ich hatte schon länger vor, diese Rezension zu schreiben und habe mir in den letzten Tagen einige Stichpunkte gemacht. Heute hielt mich meine Chefin im Buchladen dazu an, mir einen Roman aus dem belletristischen Bereich auszuwählen, ihr diesen kurz zu umreißen und auf den Punkt zu bringen, warum man ihn kaufen sollte (ich bin noch Praktikantin und in meiner Lernphase) Da die Coelho-Bücher extra ausgestellt waren, ist mir Veronika sofort ins Auge gesprungen. Was ich gesagt habe, das möchte ich auch Euch nicht vorenthalten:

Paulo Coelho beschreibt die Wandlung einer depressiven jungen Frau, die wieder beginnt, das Leben zu lieben. Er schreibt vom Mut, man selbst zu sein, und seine Träume im Hier und Jetzt zu leben. Und er gibt Anstoß, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was nun verrückt und was normal ist – und ob wir das Verrückte nicht brauchen, um glücklich zu sein, während das Normale uns kaputt macht.
„Veronika beschließt zu sterben“ mag vielleicht nicht das spannendste Buch auf dem Markt sein, aber hinterher wird man etwas verstanden haben. Versprochen!