Ich war lange Mitglied beim Bertelsmann Club. Obwohl ich das eigentlich nicht mehr wollte, ist es eine gewisse Lethargie, die einen festhält. Manchmal ist es wohl einfach zu viel verlangt, anzurufen, und Gründe für eine Kündigung zu nennen. So kam es, dass mir mehrmals im Jahr dicke und teure Romanausgaben zugeschickt wurden, auf die ich eigentlich keine Lust hatte. Man hätte sie auch umtauschen können, aber…  naja, ihr wisst schon.

In der letzten Woche konnte ich mich aber endlich überwinden, mir auch diesen Stapel vorzunehmen und damit zu beginnen, ihn abzu“arbeiten“. Den Anfang machte dabei „Gute Geister“ von Kathryn Stockett.
Das Cover wirkt recht unscheinbar – das von der deutschen Originalausgabe sogar noch viel unscheinbarer. Aber lasst euch nicht täuschen, dahinter verbirgt sich eine ganze Menge. Wenn ich das nur früher gewusst hätte!

„Gute Geister“ erzählt die Geschichte von drei Frauen während der 60er Jahre in den amerikanischen Südstaaten – genauer gesagt, in Jackson Mississippi. Das ist ein real existierender Ort, in dem die Autorin selbst aufgewachsen ist.

Abileen

Da ist zum einen die schwarze Hausangestellte Aibileen. Sie ist Anfang 50 und hat ihr gesamtes Erwachsenenleben bei weißen Familien gearbeitet, ihren Haushalt geführt und ihre Kinder erzogen. Zu Beginn des Buches ist sie bei der jungen Familie Leefolt angestellt, und kümmert sich mit der kleinen Mae Mobley bereits um ihr 17.Kind. Sie ist allerhand gewohnt, und hat es immer kommentarlos geschluckt, wenn die Kinder von ihren Eltern geschlagen wurden oder wenn man sie selbst ungerecht behandelt hat. Aber nachdem ihr einziger Sohn vor zwei Jahren bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam, hat sich etwas in ihr verändert. Plötzlich demütigt es sie zutiefst, dass sie als Schwarze eine eigene Toilette außerhalb des Hauses bekommen soll. Und sie kann kaum ertragen, dass Mae Mobley von ihrer Mutter nur mit Missachtung behandelt wird. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem kleinen Mädchen immer und immer wieder zu erzählen, wie hübsch und gescheit es wäre, und dass es zwischen schwarz und weiß eigentlich keine Unterschiede gibt.

Minny

Ihre beste Freundin heißt Minny. Sie ist Mitte 30 und arbeitet auch als Hausmädchen. Sie ist klug, fleißig und die beste Köchin weit und breit. Trotzdem muss sie ihre Stellen immer wieder wie Unterhosen wechseln, denn ihre freche Art und ihr loses Mundwerk lassen sich die reichen weißen Damen nicht gefallen. Keine der Frauen in der Stadt möchte sie mehr anstellen, da eine gewisse Miss Hilly, Tochter der Dame, für die sie zuvor gearbeitet hat, Lügen über sie verbreitet. Fatal, denn das Geld ihres trinkenden und prügelnden Ehemannes reicht bei weitem nicht aus, ihre vielen Kinder zu versorgen.
Aber Minny hat Glück. Etwas außerhalb des Ortes lebt eine verrückte junge Frau namens Celia, die aussieht wie Marilyn Monroe. Sie ist hübsch, ein wenig dumm, aber furchtbar nett, und stellt sie in ihrem großen Haus an. Minny staunt nicht schlecht, dass Celia von all den Gerüchten nichts mitbekommt, und ist überrascht, wie gut sie bezahlt wird, wie zuvorkommend man sie behandelt, und dass die junge Miss die Grenzen zwischen schwarz und weiß weder zu beachten, noch zu kennen scheint.

Skeeter

Skeeter ist weiß, jung und privilegiert. Aber im Gegensatz zu ihren besten Freundinnen Miss Hilly und Elizabeth Leefolt hat sie das College nicht nur als Vorwand besucht, einen Mann kennenzulernen. Sie hat ihren Abschluss gemacht, und lebt nun wieder in ihrem Elternhaus. Ihr sehnlichster Wunsch ist es, eine Journalistin zu werden, die man ernst nimmt; der ihrer Mutter jedoch, dass sie häuslich wird und heiratet. Aber beides scheint nicht so recht zu klappen. Sie findet keinen guten Job, und der Mann, den ihre Freundin ihr vorstellt, behandelt sie schlecht. Ihre Größe, ihre Langgliedrigkeit und ihre strubbeligen Haare tragen auch nicht gerade dazu bei, dass man ihr nachschaut.
Irgendwann schafft sie es, bei der Lokalredaktion als Kolumnistin für Haushaltstipps angestellt zu werden. Da sie von Haushalt aber keine Ahnung hat, bittet sie Elizabeth Leefolt, ihr Hausmädchen Aibileen befragen zu dürfen. Aibileen erinnert Skeeter an ihr eigenes Hausmädchen Constantine, das ihre Familie kürzlich Hals über Kopf verließ, ohne sich von ihr zu verabschieden. Ein schmerzlicher Verlust, denn sie war wie eine Mutter für sie.

Als Miss Hilly darauf drängt, im örtlichen Newsletter, dessen Herausgeberin Skeeter ist, darüber zu informieren, dass Schwarze Krankheiten verbreiten würden, unhygienisch wären und ihre eigenen Toiletten bräuchten, erkennt Skeeter welches Unrecht den dunkelhäutigen Menschen noch immer getan wird. Sie entdeckt etwas, das ihr am Herzen liegt, was ernsthaft und kontrovers ist, und was als journalistisches Thema für viel Aufruhr sorgen würde. Sie möchte mindestens ein Dutzend Dienstmädchen in der Stadt befragen, wie es sich anfühlt, für weiße Familien zu arbeiten, und ein Buch darüber schreiben.
Aber was sie sich anfangs so einfach vorgestellt hat, wird zu einem riesigen Problem. Die schwarzen Frauen haben Angst. Angst, dass sie ihre Jobs verlieren, dass ihren Familien etwas zustößt oder dass man sie erschießt. Sie wollen und können Skeeter nicht trauen. Erst mit der Hilfe der liebenswürdigen Aibileen und der temperamentvoll-zynischen Minny gelingt es, so etwas wie einen Geheimclub zu organisieren, in dem man den schwarzen Leuten der Gegend endlich ein offenes Ohr gewährt.

Drei Perspektiven – eine Geschichte

„Gute Geister“ erzählt jeweils aus den Perspektiven der drei Frauen. Wir schlüpfen abwechselnd in die Rolle von Minny, Skeeter oder Abilieen und sind dabei, wie sie an ihren Geschichten arbeiten, wie viel Angst sie haben und wie sie ihr alltägliches Leben gestalten. Minny versucht alles, damit Miss Celia nicht dahinterkommt, was über sie erzählt wird, Aibileen füttert Mae Mobley mit Liebe und Fürsorge und Skeeter versucht einen Balanceakt zwischen lauter Erwartungen hinzulegen. Da sind ihre verwöhnten Freundinnen, für die es nur das Bridgekränzen, Kleidung und Frisuren gibt, ihre Mutter, die sie zu einer Frau formen möchte, die sie nicht ist, die schwarzen Frauen, die ihr am Ende doch noch vertrauen, und letztlich auch Stuart, ein hinreißender junger Mann, der, ohne es zu wollen, auf Skeeters Gefühlen herumspringt, als wären sie ein Trampolin.

Obwohl sich auch viele geschichtliche Details finden, etwa der Anschlag auf John F. Kennedy, der Aufmarsch von Martin Luther King oder die Bemühungen von Rosa Parks, geht es nicht um Vollständigkeit, sondern darum, eine authentische Situation zu schaffen, die einen kurzen Einblick in das Leben der Frauen zur damaligen Zeit gewährt.

Kathryn Stockett ist selbst eine Weiße, die von einem schwarzen Hausmädchen aufgezogen wurde, das sie abgöttisch geliebt hat. Ich nehme ihr also ab, viel über das Thema zu wissen, und sich in jede einzelne Figur hineindenken zu können.

Alle drei Frauen sind so unterschiedlich, aber jede wirkt so echt, und man hat sie von Anfang an gern.
Es hat Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen, bei dem man den Mund nicht mehr schließen kann – vor Schock, Wut oder Unglauben. Da werden schwarze unschuldige Menschen vor ihrer Haustür erschossen, es wird Rufmord betrieben oder es werden Augen ausgestochen, weil man versehentlich die falsche Toilette benutzt. Die Autorin umreißt eine Zeit, in der in vielen anderen Teilen der Staaten die Rechte der Schwarzen mühselig erkämpft wurden, man sie in Mississippi aber immer wieder trotzig mit Füßen trat.

„Gute Geister“ kann man einfach nicht mehr aus der Hand legen kann. Denn es geschehen eine Menge Dinge, und es gibt überall lose Fäden, die man erst zu Ende spinnen muss, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Tipp: Schaut euch mal die Bewertungen des Südstaatenromans bei Amazon an. Kennt ihr einen anderen Roman, der von 21 Leuten bewertet wurde, und im Durchschnitt alle fünf Sterne bekommen hat? Es muss also wirklich etwas dran sein!

 

Kathryn Stockett

Gute Geister

Roman

Originaltitel: The Help
Originalverlag: Putnam / Amy Einhorn
Aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann

Deutsche Erstausgabe

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 608 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-442-75240-9
€ 21,99 [D] | € 22,70 [A] | CHF 31,50* (empf. VK-Preis)

Verlag: btb