Es ist heiß, unfassbar heiß. Der Schweiß tropft an den Schläfen herunter, die Hitze brennt in den Nasenlöchern. Der Wald bietet an diesen Tagen nur wenig Abkühlung. Und der modrige Geruch stammt nicht allein vom Laub, den verblühenden Pflanzen und vom trockenen Boden. Im Wald eines kleinen englischen Örtchens, das fernab vom Schuss liegt, gibt es noch andere grausame Dinge zu entdecken.
Aber gehen wir doch der Reihe nach vor. „Die Chemie des Todes“ ist der erste Roman des britischen Autors Simon Beckett, der mittlerweile zum absoluten Bestseller-Star avanciert ist. Eigens für die Recherchearbeiten reiste er nach Texas zu einer sogenannten „Body Farm“. Dort werden Leichen im Freien ausgelegt, um Verwesungsprozesse in verschiedenen Umgebungen studieren zu können. Eine wichtige Sache für forensische Experten, um bei echten Morden und Unfällen Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt und dem Ort des Geschehens ziehen zu können.
Bepackt mit diesem Wissen schuf er seinen Protagonisten Dr. David Hunter.
Hunter ist eigentlich Rechtsmediziner, einer der berühmtesten in ganz Groß Britannien. Doch nach dem Unfalltod seiner Frau und seiner Tochter gibt er seine Karriere auf und zieht sich aufs Land zurück. Er arbeitet als normaler Landarzt und versucht dort Abstand von allem zu gewinnen. Leider ist das nicht ganz so einfach; dem Tod kann er nicht davonlaufen.
Zwei Jungen entdecken im Wald eine verstümmelte und mit Würmern bedeckte Frauenleiche – und das kleine Städtchen gerät in Aufruhr. Hier kennt Jeder Jeden; Besucher würden sofort auffallen. Der nächste kleine Ort ist weit weg, von einer größeren Stadt ganz zu Schweigen. Es ist also klar: Es muss jemand von ihnen gewesen sein. Der Mörder lebt irgendwo Tür an Tür mit den anderen Bewohnern, die er womöglich tagtäglich grüßt. Als dann auch noch eine zweite Frau verschwindet, ist man sich sicher, es mit einem Serienmörder zu tun zu haben.
Gegen seinen Willen gerät Hunter mitten in die Ermittlungen; zurück in sein altes Leben, denn hier draußen ist sein Fachwissen gefragt. Keine Frage, dass diese Einmischung auch dem Mörder nicht unentdeckt bleibt. Und das gefällt ihm gar nicht …
Die Chemie des Todes ist ein typischer Krimi, der auch vor vielen Klischees nicht Halt macht. Alles, was wir hier lesen, kennen wir schon von irgendwo her. Es ist ein bisschen Hollywood, ein bisschen CSI, ein bisschen Agatha Cristie. Trotzdem macht das Buch unglaublich viel Spaß. Simon Beckett ist in der Lage, die Spannungskurve stets und ständig auf einem hohen Level zu halten, sodass man es kaum aus der Hand legen kann.
Das ganz besondere Schmankerl ist dabei der abgeschlossene Raum der Landidylle. Dadurch, dass jemand aus dem kleinen Ort der Täter gewesen sein muss, und dass uns viele Bewohner nach und nach vorgestellt werden, entsteht das typische Krimirätsel. Wir können Jeden genau unter die Lupe nehmen und nach der berühmten Leiche im Keller suchen. Beckett legt auch entsprechende Fährten aus, sodass es niemals langweilig wird.
Ich persönlich habe den Täter etwa nach zwei Drittel des Buches erraten können – es ist also durchaus logisch nachvollziehbar, und am Ende kein „April, April“-Showdown á la Sebastian Fitzek. Als durchsichtig und eindeutig würde ich das Ganze aber auch nicht bezeichnen. Ich habe es ja immerhin nur erraten, nicht genau gewusst.
Der Titel „Die Chemie des Todes“ lässt vielleicht darauf schließen, dass es sich hier um wissenschaftliche und forensische Vorgehensweisen in der Kriminalistik handelt. Aber keine Sorge: Auch wenn Hunter Rechtsmediziner ist und die Ermittlungen unterstützt, geht es nur hintergründig um die Polizeiarbeit. Es viel mehr ein dichter, packender und atmosphärischer Krimi, der den schwülen Sommer in Kontrast zu schaurigen Horrormomenten stellt. Im Mittelpunkt steht das Gefühlsleben von Dr. Hunter: Sein Leid, seine Trauer, seine Sicht auf das Leben, auf den Tod, seine Angst, aber auch seine zarten Gefühle zu einer jungen Frau.
Verwesungsprozesse und Würmer werden hier zur Effekthascherei zur Schau gestellt. Es ist ganz interessant, aber definitiv nichts für zarte Gemüter. Wer ein Problem mit detailgenauen Beschreibungen von Leichen hat, der sollte das Buch lieber im Regal stehen lassen.
Der Krimi ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, was ich leider kritisieren muss. Ich finde es durchaus okay, wenn die Hauptfigur als Erzähler fungiert und wir ihr dadurch besonders nahe sein dürfen. Aber die Nähe zu Dr. Hunter habe ich durchgängig als ziemlich künstlich empfunden. Ich war nicht dabei, als seine Frau und seine Tochter gestorben sind. Seinen Schmerz konnte ich also nur als Fakt wahrnehmen; ich habe nicht mitgefühlt.
Man hätte diese Trauer-Komponente gut und gern weglassen können, und die Geschichte hätte trotzdem nichts an Spannung verloren. Nicht die Vergangenheit von Hunter hat sie ausgemacht, sondern die akute Bedrohung. Natürlich sollte jede Figur eine Vergangenheit bekommen, damit diese dreidimensional auftritt, nur ist zu viel Raum im Buch meiner Meinung nach einfach nicht notwenig. Aber liest man weitere Rezensionen sieht man, dass Viele das durchaus auch anders empfinden. Es sollte also kein Grund sein, das Buch nicht zu lesen!
Fazit:
„Die Chemie des Todes“ von Simon Beckett ist ein Krimi, der trotz seiner typischen Elemente und vieler Klischees niemals langweilig ist. Man fiebert bis zum Schluss mit und ist eifrig mit dem Mörderraten beschäftigt. Einzig Hunters Leid aus der Vergangenheit hätte man sich nicht ganz so ausufernd widmen müssen.
Alles in allem: Ein packender Sommerkrimi, der Gänsehaut garantiert!