Es ist jetzt knapp ein Jahr her, seit ich in dem Artikel „Das Phänomen Sebastian Fitzek: Bestseller-Autor by mistake?“ geschrieben habe, warum das mit Sebastian Fitzek als Bestseller-Autor ein großes Versehen sein muss. Ich habe fast alle seine Bücher gelesen, und war am Ende immer enttäuscht. Mal mehr, mal weniger.

Dennoch kann ich es nicht lassen, jede Neuerscheinung von ihm sofort in einem Rutsch durchzulesen. Warum? Kann es vielleicht sein, dass ich dem Autor Unrecht getan habe?

Ich bleibe zwar bei meiner Meinung, dass seine Plots nur so vor Logikfehler strotzen, und dass der Ausgang der Geschichten nicht immer befriedigend ist, aber ich habe dabei etwas Wichtiges außer Acht gelassen. Nicht nur der letzte Eindruck, nachdem wir das Buch zugeklappt haben, zählt, sondern insbesondere das zwischen Buchdeckeln, zwischen Anfang und Ende. Und das ist es, was Sebastian Fitzek zu einem ganz Großen macht.

Er hat einen kreativen und lockeren Sprachstil, findet originelle Assoziationen und Vergleiche, und hat ein unnachahmliches Gespür dafür, subtile Spannung zu erzeugen, und genau an der richtigen Stelle, und zwar in jedem einzelnen Kapitel, Cliffhanger zu verwenden.

Da stellt sich die Frage: Wenn man durch einen Roman rast, nicht aufhören kann zu lesen und immer wieder neue Bücher von diesem Autor kauft, wie schlecht kann er dann schon sein? Wie viel Kritik ist gerechtfertigt?
Gut, vielleicht schüttelt man am Ende den Kopf, aber trotzdem bekommt man vorher Stunden voller Spaß und Action, und weiß nie, wohin es einen führt.

 

Der Augenjäger

Erst vor ein paar Tagen ist sein neuer Roman „Der Augenjäger“ erschienen, und wir haben ihn bereits für euch getestet. Es ist der Nachfolger von „Der Augensammler“, der letzten Sommer veröffentlicht wurde.

Man muss den ersten Teil nicht kennen; im Buch wird alles erklärt. Wenn man aber vorhat, beide Thriller zu lesen, sollte man logischer Weise mit Teil 1 beginnen. Sonst geht alle Spannung flöten.

Der Augenjäger ist noch immer auf freiem Fuß. Er hat nicht nur die Ehefrau von Polizeireporter Alexander Zorbach getötet, sondern auch seinen Sohn Julian entführt. 48 Stunden und 7 Minuten hatte er Zeit, ihn zu finden und zu befreien – so lautet die Regel. Schafft er es nicht, erstickt er qualvoll in seinem Versteck, und wird anschließend, mit nur noch einem Auge irgendwo ausgesetzt.

Die Zeit ist rum, und Zorbach konnte nichts tun. Die Welt, wie er sie kennt, existiert nicht mehr. Er ist am Ende. Deshalb zögert er auch nicht, als der Augensammler ihn anruft und ihm einen tödlichen Deal vorschlägt.

 

Ein neuer Psychopath

Aber nicht nur der Augensammler ist das Problem. Noch ein weiterer Psychopath sorgt für Grauen: Dr. Zarin Suker, ein weltberühmter Augenchirurg. Tagsüber schenkt er Patienten das Augenlicht zurück, nachts verschleppt er Frauen, entfernt ihnen die Augenlider und vergewaltigt sie brutal. Die Begründung seiner Taten: Sie sollen nie mehr die Augen vor ihrer Schuld verschließen dürfen.

Im Gegensatz zum Augensammler geht es ihm, der von der Polizei nur der Augenjäger genannt wird, nicht ums Morden. Aber so oder so: Alle Frauen begehen nach dieser grausigen Prozedur Selbstmord, und nehmen damit praktisch alle Beweise mit ins Grab.

Nur eine einzige Zeugin hält durch, und wendet sich an die Polizei. Sie können Suker festnehmen. Doch dann verliert die Frau plötzlich ihren Verstand, ist nicht mehr ansprechbar, und damit vor Gericht nicht zu gebrauchen. Trotz besseren Wissens müssen die Polizisten Stoya und Scholle ein Monster wieder auf freien Fuß setzen.

Auch die blinde Physiotherapeutin Alina Gregoriev ist wieder mit von der Partie. Als sie von der verzweifelten Polizei gebeten, wird, den Augenjäger im Gefängnis zu massieren, weil ihre Zukunftsvisionen der einzige Strohhalm sind, an den sie sich noch klammern können, gerät sie mit in den Strudel.

Plötzlich geht alles drunter und drüber. Der Augensammler erscheint wieder auf der Bildfläche und eröffnet, dass Julian vielleicht doch noch nicht tot ist. Und der Augenjäger entwischt aus der Beschattung der Beamten, um eine letzte grausame Tat zu begehen. Das Opfer ist nur allzu gut bekannt.

 

Auch hier ein paar Logikfehler

Auch hier haben sich wieder ein paar Logikfehler gefunden. Die Frage „Ist es realistisch, dass er/sie in diesem Moment so reagiert“ ist genauso allgegenwärtig, wie die, wie ein Mensch tatsächlich die Zukunft vorhersehen kann. Fitzek baut ein paar Theorien mit ein, widmet sich dem Gehirn und der Psyche auch aus pseudo-medizinischer Sicht, aber das, was da allen Ernstes passiert, bricht sein Versprechen, dass die Geschehnisse wissenschaftlich erklärbar sind.

Ganz schrecklich finde ich auch, dass die Protagonisten niemals Schlaf zu bekommen scheinen. Warum kann die Handlung nicht mal über einen längeren Zeitraum erfolgen? Warum darf nie etwas Alltäglichkeit dabei sein?
Egal, was passiert, es reißt immer das Leben aller Beteiligten aus den Fugen, und lässt Verfolgungsjagden und den Kampf gegen die Zeit folgen. Spannung ist ja gut und schön – aber eine kleine Verschnaufpause und etwas mehr Balance würden den Geschichten wirklich gut tun.

Trotzdem komme ich nicht umhin, zuzugeben, dass Sebastian Fitzek sich gemacht hat. Die Handlung verläuft geradlinig, alle Szenen bauen aufeinander auf, und außer dass er uns in einer Sache auf die falsche Fährte lockt (er scheint es zu hassen, durchschaubar zu sein), werden alle losen Fäden zu Ende geführt.

 

Verschlungen

Ich habe „Der Augensammler“ an einem schönen und sonnigen Tag am Strand verschlungen, und konnte es nicht eher zur Seite legen, bevor ich durch war.

Es wird niemals mein Lieblingsbuch werden, und als Schulnote würde auch maximal eine 3+ vergeben. Aber zwei Dinge weiß ich ganz genau:

1.)    Ich hatte einen Mordsspaß (die Betonung liegt auf Mord ;))

2.)    Sein nächstes Buch werde ich ganz sicher wieder kaufen

Es gibt einen Grund, warum jedes seiner Bücher ein Bestseller ist. Findet es heraus!