Warum schafft man eigentlich nichts? Man müsste einen Sack an Aufgaben erledigen und würde sich so viel besser fühlen, wenn man das endlich anpacken würde. Aber wenn einem nicht gerade eine kompromisslose Deadline im Nacken sitzt, dann trödelt man durch den Tag, verschiebt es auf morgen, auf nächste Wochen, nächsten Monat, um es dann, ja ja, das glaubst Du doch selbst nicht, ganz bestimmt anzupacken. Gut, ich gebe zu, ich rede gerade nur von mir selbst. Ja, ich bin unordentlich, unorganisiert und arbeite absolut unstrukturiert.

Um  dem Abhilfe zu schaffen, empfahl mir eine Kollegin kürzlich David Allens Buch „Wie ich die Dinge geregelt kriege“ – den berühmten Ratgeber mit der „Getting Things Done“ (kurz GTD)-Methode.
„Ach Unsinn“, habe ich gemeint, „das ist doch nur für Personalchefs, Manager und alle, denen im Büro etwas über den Kopf wächst.“
Aber nein, sie meinte, ihrem Mann hätte es sehr geholfen, und der wäre schon seit längerem Rentner, und ich solle doch einfach mal einen Blick rein werfen.

Gesagt, getan, habe ich es mir mit dem Buch und einer Tasse Kaffee auf dem Balkon gemütlich gemacht.
Einleitend erklärt David Allen, wie ineffektiv unser Gehirn eigentlich arbeitet, weil es keine übergeordnete Intelligenz besitzt. So käme es zum Beispiel, dass wir uns auf der Toilette daran erinnern, dass wir noch Batterien brauchen, nicht aber im Elektrofachgeschäft.
Außerdem würde unser Gehirn viele Gedankenfetzen, Ideen und Erinnerungen so unkoordiniert abspeichern, dass uns diese Informationsflut belastet. Oftmals wüsste man gar nicht wie sehr, bis man einmal gründlich einen Frühjahrsputz gemacht hat.

Die GTD-Methode

Die GTD-Methode verlangt also für den Anfang ein gründliches Reinemachen im Kopf: Alle Gedanken, die uns unbewusst lähmen, weil wir immer nur ihre losen Enden an der Oberfläche sehen, ohne wirklich etwas mit ihnen anzufangen, sollen gegriffen und woanders gelagert werden. Das erreicht man, indem  man sich einfach eine oder auch zwei (vielleicht auch drei oder vier) Stunden hinsetzt und alles, wirklich alles aufschreibt, was einem im Kopf rumgeistert, und diese Zettel dann in einem Eingangskorb (oder in der Schublade, oder im Outlook-Programm etc.) lagert. Dabei ist es ganz egal, ob es beruflicher oder privater Natur ist, ob es einem wichtig oder noch viel zu weit weg erscheint. Der Geburtstag der Schwester, der Artikel aus der Tageszeitung von letzter Woche, das Gespräch mit dem Chef, die Steuererklärung, der besondere Honig aus dem Internetversand, das Telefonat mit der besten Freundin, die Entschuldigung bei der Mutter: Egal, was es ist, alles was in irgendeiner Weise eine Aktion erfordern könnte, soll aufgeschrieben werden. Es handelt sich also wirklich nicht nur um ein Zeitmanagementsystem für erfolgreiche Karrieremenschen, sondern ist allumfassend strukturiert und für jeden anwendbar.

Laut David Allen soll allein das Aufschreiben schon eine Art Befreiung sein – und das kann ich auf jeden Fall bestätigen. Das Gehirn weiß, dass dieser Stapel schon bald durchgearbeitet wird, und ist daher in der Lage, wirklich loszulassen. Ich nenne meine Eingangsbox auch gern mein ausgelagertes Gehirn. Denn plötzlich ist mein Kopf frei von Nebel und belastenden Gedanken und zum ersten Mal seit langem war ich wieder in der Lage, mich komplett auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Und Junge, was ist das für ein herrliches Gefühl, eine Aufgabe zu erledigen und vollkommen darin versinken zu können. Das macht Spaß, das macht euphorisch, und vor allem schenkt es Energie, anstatt welche zu rauben.
So weit, so kompliziert

Jetzt kommt allerdings der Haken an der ganzen Geschichte. Das Gehirn kann sich natürlich nur aus diesem Grund entspannen, weil es sich darauf verlässt, dass wir uns die ausgelagerten Informationen vornehmen und etwas Produktives damit anfangen. Die nächsten Schritte, die David Allen dafür geplant hat, lauten Durcharbeiten, Organisieren, Durchsehen und Erledigen.

Und so weit, so kompliziert, da hörte meine Begeisterung irgendwie auf. Denn wie man sich das anschließende Organisationssystem genau aufbaut, das habe ich, da bin ich ehrlich, nicht so richtig verstanden. Falls Ihr aber glaubt, ich wäre irgendwie schwer von Begriff: Nein, nein, in diesem Fall lässt sich wirklich fast alles auf die hundsmiserable Übersetzung schieben!
Ich bin niemand der sich für gewöhnlich über so etwas aufregt. Ich nehme die deutsche Fassung einfach an, ohne sie groß zu hinterfragen oder mit dem Original zu vergleichen. Aber dieses Mal konnte man praktisch noch 1:1 den amerikanischen Stil hinter den Satzstrukturen erkennen. Die Sätze waren holprig, schwer lesbar und wirklich umständlich formuliert. Dass jeder dritte Satz auch noch ein Schachtelsatz war, war dem nicht gerade zuträglich.

Dazu kommt, dass David Allen vielleicht ein Genie sein mag, es aber leider nicht schafft, seine Methode wirklich Schritt für Schritt an den Mann zu bringen. An der einen Stelle schneidet er ein Thema an, verweist dann aber auf ein späteres Kapitel und vermittelt insgesamt den Eindruck, als wüsste er nicht genau, an welcher Stelle er nun mit dem Erklären anfangen sollte.

Was habe ich getan? Ich habe mir den entsprechenden Wikipedia-Artikel durchgelesen, in dem alles was wirklich wichtig ist, auf einem Blick erklärt wird. So habe ich dann auch verstanden, was es mit den Projektlisten auf sich hat, wie man ein Projekt gliedert und die To-Do-Liste zur Hilfe nimmt, dass Kalender nur für Deadlines genutzt werden sollen, nicht aber für die eigenen Aufgaben, was genau das Referenzmaterial ist, und wie man mit Informationen umgeht, die für den Augenblick noch nicht von Bedeutung sind.

Träume und Visionen auf einem Stück Papier?

Aber ehrlich? Mir ist das trotzdem alles zu kompliziert. Außerdem gefällt mir nicht, dass alle meine Gedanken in irgendwelchen Ordnern stecken. Zum einen, weil viele davon natürlich privat sind, und immer ein Risiko besteht, dass jemand auf diese Art und Weise in meinem Kopf wühlen kann, zum anderen, weil manche Gedanken wie Käse und guter Wein sind – und einfach noch etwas Zeit zum reifen brauchen.
Schreibt man wirklich alles auf, und verstaut es dann in einem ausgeklügelten System, dann ist das so ein bisschen wie „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Das ist natürlich so gewollt, und man soll sein Material auch regelmäßig durchschauen, aber das ist trotzdem nicht das gleiche. Was passiert denn mit Träumen und Visionen, wenn sie auf ein Stück Papier in unserem Regal ruhen, anstatt uns Tag und Nacht zu begleiten – uns vielleicht auch mal hier und da ablenken oder uns den Schlaf rauben? Glaubt wirklich jemand daran, dass man Lebensträume auf einem Stück Zettel planen kann – zumal sie uns selbst häufig noch sehr schwammig erscheinen?

Wenn Ihr die Methode trotzdem einmal ausprobieren wollt, dann empfehle ich Euch auf jeden Fall, zu der Originalausgabe zu greifen, sofern Ihr etwas Englisch beherrscht. Ansonsten lassen sich alle wichtigen Informationen auch gut und einfach im Internet zusammensammeln. So etwas würde ich sonst nicht empfehlen, weil ich dem Autor natürlich auch gönne, dass er seine Schäfchen ins Trockene bringt, aber in diesem Fall kommt man allein mit dem Buch sowieso nicht sehr weit. Es lässt Fragen offen.

Mein Fazit:

Ich liebe die Idee mit der Eingangsbox für alle Gedanken und Erledigungen, die mich belasten. Das Durcharbeiten und Organisieren gehe ich anschließend aber auf meine ganz persönliche Art an. Damit mache ich mir keinen Stress, filtere nur die Informationen, die mir wichtig erscheinen und bin trotzdem ein gutes Stück produktiver als vorher.

Alles in allem motiviert das Buch „Wie ich die Dinge geregelt kriege“, endlich etwas anzupacken und sein Leben – sowohl gedanklich als materiell – etwas zu entrümpeln.
Ich bin mir sicher, dass jeder den einen oder anderen Ansatz mitnehmen und für sich neu anpassen kann. Nur greift im Gottes Namen nicht auf die deutsche Übersetzung zurück!