Von Jane Austen haben sicher alle damals in der Schule etwas gehört. Aber man täte ihr Unrecht, würde man ihre Romane nun mit anderer Schulliteratur wie „Tod in Venedig“, „Leonce und Lena“, „Effi Briest“, „Der Schimmelreiter“ oder „Wilhelm Tell“ vergleichen. Denn Jane Austen hat Liebesromane geschrieben, die den großen Love Stories in nichts nachstehen – im Gegenteil, manche meinen sogar, sie hätten sie geprägt.

Ihr berühmtestes und am meisten verkauftes Buch ist „Stolz und Vorurteil“. Wir möchten all unsere (weiblichen) Leser dazu anregen, ihre – wo wir gerade davon sprechen – Vorurteile über Bord zu werfen, und diesem tollen Klassiker eine Chance zu geben.

Zugegeben, die Sprache des Romans ist anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig. Es dauert eine Weile, bis man sich an schwülstige Formulierungen und scheinbar nichtige Dialoge gewöhnt hat. Aber wenn man hinter die Fassade schaut, dann merkt man ganz schnell, dass man es hier nicht mit abstrakter Literatur zu tun hat, sondern mit ganz normalen Menschen – romantisch, liebenswürdig, zynisch und schrullig, wie sie jeder TV-Soap entsprungen sein könnten.

 

Lizzy Bennett und ihre Familie

Erzählt wird die Geschichte von Lizzy Bennett, einer ganz und gar ungewöhnlichen jungen Frau, die nicht so recht in ihre Zeit passen will. Für ihre schüchterne ältere Schwester Jane und ihren verrückten drei jüngeren Schwestern gibt es nur ein Thema: Heiraten! Und ihre kauzige und aufgedrehte Mutter stachelt sie immer weiter darin an; denn nichts wünscht sie sich mehr, als all ihre Töchter schnellstmöglich unter die Haube zu bringen.
Lizzy kommt eher nach ihrem weisen, selbst-ironischen aber grundehrlichen Vater. Auch sie möchte einen Mann finden. Aber sie möchte geliebt und begehrt, und nicht, wie damals üblich, bevormundet werden. Sie möchte Dinge selbst in die Hand nehmen, lernen, sich bilden, Abenteuer erleben – all das, was für uns heute normal ist, was sich für eine Frau zu der damaligen Zeit aber nicht schickte.

Als eines Tages nicht nur das Militär im Ort anmeldet, sondern auch ein gewisser Mr.Bingley, ein steinreicher und charmanter Junggeselle, drehen Mutter Bennett und die jüngeren Töchter am Rad. Die beiden Jüngsten kriegen sich vor pubertärem Eifer um adrette Offiziere kaum noch ein, und die Mutter ist sich sicher: Mr.Bingley muss sich einfach in die Schönheit ihrer ältesten Tochter Jane verlieben.

Auf einer der vielen Bälle, die die Familie besucht, lernen sie Mr.Bingley und seinen ebenso reichen Freund, Mr.Darcy kennen. Der Plan scheint aufzugehen: Der liebevolle und treuherzige Bingley ist sofort von der schönen und sanften Jane angetan. Auch Lizzy hat ihn sehr gern.
Mr. Darcy verabscheut sie jedoch mit einer leidenschaftlichen Inbrunst. Er ist einer der Männer, der weiß, dass er gut aussieht, Geld und Macht hat, und dass Frauen ihm selbst dann zu Füßen liegen, wenn er sie von oben herab behandelt. Doch Lizzy ist anders: Sie tritt ihm gegenüber kalt auf, und entschärft all seine Spitzen mit lächelndem Sarkasmus.

Ihre Abneigung wird noch größer, als sie ein wenig später erfährt, dass Mr.Darcy seinen Freund dazu überredet, abzureisen, weil die Familie Bennett nicht nur arm, sondern auch peinlich wäre, und Jane ihn angeblich überhaupt nicht lieben würde.

 

Lizzy und Darcy: Die Gefühlsachterbahn

Im Laufe des Buches treffen Lizzy und Darcy erneut aufeinander, und die Dinge verändern sich. Wir beginnen eine unterschwellige Spannung zu spüren, ein Kribbeln, eine perfekte Anziehung und Harmonie, wie sie nur in ganz großen Liebesgeschichten vorkommt. Mr.Darcy scheint sich in diese außergewöhnliche Frau, die ihm stets Kontra gibt, und so gar nicht ist, wie der Rest ihrer Familie, verliebt zu haben. Aber Lizzy ist nicht nur voller Stolz, weil er ihre Familie und auch sie gedemütigt hat (er hat gesagt, sie wäre bei weitem nicht so attraktiv wie ihre Schwester), sondern auch voller Vorurteile, was seine Person betrifft. Dazu kommt das gebrochene Herz ihrer über alles geliebten Schwester und viele unschöne Dinge, die in ihrer Stadt, die voll ist mit Klatsch und Tratsch, so berichtet wird.

Im strömenden Regen gesteht Mr.Darcy ihr auf romantische Art und Weise seine Liebe und macht ihr einen Heiratsantrag. Doch Lizzy tut das, was sie am besten kann (was im Laufe des Buches schon einmal vorgekommen ist): Sie lehnt ab. Noch schlimmer als das; sie verhöhnt ihn, und wirft ihm alles an den Kopf, ob wahr oder unwahr, was die Entscheidung für sie so eindeutig macht.

Erst ein Brief, in dem Darcy ihr erklärt, dass die Dinge nicht immer sind, wie sie scheinen, kann ihre Meinung ändern. Und als dann eine ihrer Schwestern in eine äußerst missliche Lage gerät, bekommt er die Chance, sein wahres Gesicht zu zeigen. Lizzy beginnt, sich den Gefühlen, die schon lange Zeit in ihr brodeln, zu öffnen.
Doch ist es nun zu spät für ein Happy End? Ist es nun Mr.Darcys verletzter Stolz, der beiden im Weg steht?

 

Eine epische Love Story

In „Stolz und Vorurteil“ wird eine epische Liebesgeschichte erzählt. Lizzy und Darcy können sich ohne weiteres mit Pärchen wie Scarlett O’Hara und Red Butler, Bella und Edward, Rose und Jack oder Romeo und Julia messen.
Im Gegensatz zu „Romeo und Julia“ ist „Stolz und Vorurteil“ aber einfach hintereinander weg zu lesen, gut verständlich, und zu großen Stücken schon unserem heutigen Stil angepasst.

Es ist nicht nur das Thema Liebe, was zeitlos ist, sondern das tragische aneinander vorbei lieben – all die Missverständnisse. Hier kämpfen die beiden Protagonisten nicht gegen äußere Widerstände, gegen Monster und andere Katastrophen, sondern gegen ihre eigenen Eitelkeiten. Sie sind ganz große Träumer mit ebenso großen Herzen, und fürchten nichts weiter, als verletzt zu werden.
Das ist das, was uns heute nahezu jeder Film und jede Serie zeigt: Lügen, Intrigen, Seitensprünge, falscher Stolz – was es auch immer sein mag: Zwei Menschen lieben sich abgöttisch, finden aber nicht zueinander, weil nichts so sehr wehtut, wie ein gebrochenes Herz.

Es ist erstaunlich, was Jane Austen 1797 mit nur 21 Jahren auf Papier gebracht hat. Sie muss eine verdammt tolle und charakterstarke Frau gewesen sein, und ich stelle mir oft vor, dass sie mit Lizzy Bennett eigentlich nur sich selbst portraitiert hat. Sie setzt sich in ihren Büchern nicht nur selbstbewusst über gesellschaftliche Konventionen hinweg, sondern tut es auch mit so feinem und intelligentem Humor. Man könnte sie zweifelsohne als eine frühe Vorreiterin der Frauenbewegung bezeichnen.

„Stolz und Vorurteil“ ist ein Buch, das allen starken und romantischen Frauen gleichermaßen gut gefallen wird. Egal, ob man sonst eher „Rosamunde Pilcher“ mag, oder Filme und Romane mit etwas mehr Klasse: Jane Austens Meisterwerk wird sicher alle vom Hocker hauen!

 

Jane Austen

Stolz und Vorurteil

Roman

Mit Nachwort von  Elfie Bettinger
Originaltitel: Pride and Prejudice
Aus dem Englischen von Andrea Ott

Gebundenes Buch, Leinen mit Schutzumschlag, 640 Seiten, 9,0 x 15,0 cm
ISBN: 978-3-7175-2010-8
€ 24,90 [D] | € 25,60 [A] | CHF 35,50* (empf. VK-Preis)

Verlag: Manesse