„Imago“ ist der erste Jugendroman der 1967 geborenen Autorin Isabel Abedi. Zunächst arbeitete sie als Werbetexterin und war für viele Bilderbücher zuständig. Dann fing sie an, eigene Kinderbücher zu schreiben – und wurde mit jedem erfolgreicher. In das Genre der Jugendbücher hat sie sich so gesehen Schritt für Schritt eingearbeitet. Mit ihren schriftstellerischen Gehversuchen alterte auch die Zielgruppe ihrer Bücher.

In Imago geht es um die 12-jährige Wanja, die eigentlich ein glücklicher Teenager sein sollte. Sie lebt in einem großen Haus, hat eine tolle und verständnisvolle Mutter, einen kuschelbedürftigen Kater und wird häufig von der guten und verrückten Freundin der Familie bekocht. Aber immer wieder ist da diese Leere. Denn Wanja hat keinen Vater und es fehlt einfach ein Teil von ihr. Niemand will ihr erzählen, wer er ist, warum er fort ist und ob er überhaupt noch lebt.
Eines Tages wird sie auf merkwürdige Art zu einer Ausstellung namens „Vaterbilder“ eingeladen, die kein Mensch kennt und von der noch niemand etwas gehört hat. Sie nimmt diese Einladung an und betritt damit eine völlig neue und andere Welt, die sich Imago nennt. Denn die Vaterbilder sind nicht einfach nur Portraits in einem Museum, sie sind Türen, durch die man durchschreiten kann.
Wanja versteht nicht, warum sie sich in dieser so sehr zu dem Zirkusartisten Tajo hingezogen fühlt und warum in dieser doch so wundervollen Welt so viel Gefahr durch einen schwarzen Vogel droht, der der Umgebung alle Farben raubt. Nur eines ist sicher: Am Ende muss sie erkennen, was diese Reise mit sich selbst und ihrer eigenen Seele zu tun hat, um sich retten zu können.

Eigentlich liebe ich den flüssigen und doch sehr poetischen Stil von Isabel Abedi. Sie hat das Talent, mit ihren Geschichten direkt das Herz zu treffen und gleichzeitig spannend und doch sehr leise zu erzählen. Von „Imago“ bin ich allerdings ein klein wenig enttäuscht.
In „Lucian“, einem anderen Jugendroman der Autorin, fand ich den Mix aus Realität und Fantasy sehr beeindruckend. Der Übergang war schleichend und alles wirkte glaubwürdig.
In „Imago“ sind die Bilder im Museum die klare Grenze zwischen einer Welt, wie wir sie kennen, und einer bunten ausgedachten Welt. Und obwohl diese Fantasiewelt sehr im Vordergrund steht und Spaß machen soll, habe ich mich im Zirkus fast ausschließlich gelangweilt. Die (für mich) wahre Geschichte fand im Kopf der Protagonistin, in der Schule oder in ihrem Elternhaus statt.

Außerdem ist die Zielgruppe für dieses Buch etwas schwammig definiert. Es handelt sich um ein Jugendbuch, die Hauptfigur ist jedoch erst zwölf Jahre alt. Kann eine 16-jährige sich damit gut identifizieren? Für ein Kinderbuch, also für 10-12-jährige, finde ich die Thematik, die Suche nach sich selbst und seinen Wurzeln, aber ehrlich gesagt etwas zu tief und schwer.

Trotz etwas Langatmigkeit und einer Protagonistin, mit der ich nicht unbedingt mitfiebern konnte, hat der Roman Spaß gemacht. Er hat sich dennoch schnell lesen lassen und am Ende musste ich dann doch tatsächlich ein tief berührtes Tränchen verdrücken. Es ist bestimmt nicht der beste Roman von Isabel Abedi, aber trotzdem immer noch einer der besseren in diesem Genre.
Ich möchte ihn allen Heranwachsenden ans Herz legen, die immer noch gut und gern Kind sein können und wollen.