Wer nicht schreiben kann, muss STERBEN

Wer nicht schreiben kann muss fühlen STERBEN! Das steht auf dem Buchdeckel des Kriminalromans „Die Dramaturgie des Tötens“, von Jincy Willett. So witzig und erfrischend das zunächst klingt, in der Geschichte wird das tatsächlich zur bitteren Realität.

Romane zu lesen und anschließend zu beurteilen, das ist nicht sonderlich schwierig. Aber selbst ein Werk zu verfassen, das die Gunst des Lesers gewinnt, das ist eine echte Herausforderung. Amy Gallup, der Heldin des Krimis, ist es als junger Frau einmal gelungen. Seither sieht sie sich als gescheiterte Schriftstellerin. Sie ist in die Jahre gekommen und hat dazugelernt, das Schreiben konnte sie jedoch nie wieder in gleicher Frische und Unverfangenheit wie damals praktizieren. Um sich über Wasser zu halten, arbeitet sie als Lehrerin für kreatives Schreiben an einer Art amerikanischen Volkshochschule.
Dreizehn Schüler melden sich dieses Jahr für einen Kurs bei ihr an. Genug, um etwas an ihnen zu verdienen, aber gleichzeitig zu wenig, als dass sonderlich interessante Charaktere unter ihnen sein könnten. Denn Amy ist chronisch gelangweilt, von sich, von der Welt, von jedem. Etwas wie überraschende Wendungen und Spannung erwartet sie gar nicht erst.
Doch dieses Mal ist es anders. Denn es stellt sich heraus, dass es in der Klasse einen Heckenschützen gibt. Irgendjemand spielt anonym ein gemeines Spielchen, indem er die Kursmitglieder, die nicht sonderlich talentiert sind, bloßstellt und sie zu Tode erschreckt.

Als der Kurs von offizieller Stelle abgesagt wird, entscheiden sich die Mitglieder, die Treffen weiterhin privat in den eigenen Wohnzimmern stattfinden zu lassen. Alle scheinen von ihrer kauzigen Lehrerin begeistert zu sein und wollen nicht auf ihren Schreibunterricht verzichten. Keine gute Idee! Denn die Person aus dem Hinterhalt stellt ihre kranken Spielchen nicht etwa ein, sie treibt sie auf die Spitze. Ein Schüler wird ermordet. Offizielle Begründung: Weil das Manuskript so schlecht war.
Jeder von ihnen könnte der Täter sein! Aber die Gruppe ist in einem Schmelztiegel gefangen – sie können und wollen einfach nicht auf ihre Treffen verzichten. Und so kommen sie dem Mörder, der mit allen ein grausiges Katz und Mausspiel spielt, auf gefährliche Weise auf die Schliche.

Jincy Willetts „Die Dramaturgie des Tötens“, ist ein Buch, das die einen als echtes Schmuckstück bezeichnen würden, während andere es wahrscheinlich als außergewöhnlich langweilig und schleppend empfinden. Es ist kein moderner Krimi, der jedem gefällt, weil eine tatsächliche Handlung kaum stattfindet. Es sind immer nur die Treffen des Kurses und der Blick in Amys zynisches und fast schon verbittertes Seelenleben. Aber die Art und Weise, wie sie die Welt betrachtet, wie sie Einfältigkeit entlarvt und direkt auf den Punkt bringt und uns zeigt, warum man des Lebens müde werden kann, ist grandios.

Was ich weniger gelungen fand, war, dass die Texte, die die Schüler jeweils verfasst haben, fast vollständig vorgestellt wurden. Abgesehen davon, dass die meisten unter ihnen wirklich grausige Schreiber sind und die Geschichten gelangweilt haben, haben sie das Geschehen auch in keiner Weise vorangetrieben. Wahrscheinlich sollten sie die Charaktere auf ganz latente Art vorstellen. Ein netter Versuch, der bei mir jedoch in die Hose gegangen bin. Denn ich bin ein schneller Leser, niemand, der dreimal hinsieht, sich Notizen macht oder sogar noch mal zurückblättert. Mit dreizehn Schülern bin ich komplett durcheinander gekommen. Wer war jetzt alt und wer jung? Wer verheiratet und wer single? Wer der Coole und wer der Loser? Man konnte sie sich gar nicht alle merken, weswegen auch das Miträtseln um den Täter nicht ganz so spaßig war, wie es hätte sein können.

Das Motiv des Täters hat am Ende auch nicht überzeugt, was aber weniger schlimm war. Darum ging es zu dem Zeitpunkt im Grunde nicht mehr. Da draußen schwirren so viele kranke Seelchen rum, die in ihrer ganz eigenen Welt leben – und bei denen wir uns beim Versuch sie zu verstehen mehr als lächerlich machen würden. Der Anspruch an eine Geschichte sollte nicht der sein, herauszufinden, was in Psychopathen vorgeht.

Wie man ein Roman schreibt, das erfährt man in „Die Dramaturgie des Tötens“ ganz gewiss nicht, obwohl es durchweg um das Schreiben geht. Alles wird durch Amys verschrobenen Blick betrachtet, sodass wir zwar ansatzweise erkennen können, was sie selbst schätzt und, aus handwerklicher Sicht betrachtet, loben würde, aber nichts für uns selbst herausfischen. Zumindest nicht, sofern wir Anfänger sind. Trotzdem sei dieser klassische Krimi allen schreibegeisterten Leser, die Spaß an außergewöhnlichen Charakteren haben, empfohlen.
Wer hingegen auf Spannung, Schnelligkeit, Psychoterror und grausame Verbrechen steht, und sonst gern zu Katzenbach, Gerritsen, Fitzek, Fielding oder Beckett greift, sollte lieber die Finger von Jincy Willett lassen. Die Enttäuschung wäre garantiert!