Die meiste Zeit stellen wir euch hier Buchschätzchen vor – Romane und Ratgeber, die es wert sind, gekauft und gelesen zu werden. Aber Rezensionen sind ja nicht nur dazu da, um neue Anregungen zu bieten, sondern auch, um zu warnen, wenn etwas wirklich, wirklich schlecht ist. Und als wirklich, wirklich schlecht empfand ich den Roman „Der Mann schläft“ von Sibylle Berg.
Nicht schlecht in dem Sinne, dass die Handlung ziemlich trivial war, und man das Buch deswegen abgebrochen, oder nach dem Lesen nicht mehr weiter beachtet hat, sondern so schlecht, dass sich diese Schlechtigkeit bis tief in meine Seele gefressen hat. Ja gut, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber was der Roman zurückgelassen hat, waren nur düstere Gefühle, und die Frage, warum ich so dumm war, das Buch überhaupt bis zum Schluss zu lesen.

Deutscher Buchpreis?

Über Geschmäcker kann man natürlich streiten. Immerhin war „Der Mann schläft“ für den Deutschen Buchpreis nominiert, und Literaturkritiker waren fast sprachlos angesichts des außergewöhnlichen Talents der Autorin. Und ich muss zugeben, dass es stimmt: Stilistisch ist Sibylle Berg grandios. Wie sie es schreibt, es ausdrückt und verpackt, die Art ihrer Metaphern – das ist bewundernswert.

Mir geht es aber nicht um das „wie“, sondern um das „was“. Natürlich bin ich auch ein Fan von Schöngeistigkeit. Aber für mich muss auch etwas dahinter stecken. Nur leere Worthülsen können mich nicht berühren. Wenn ich denn schon keine Story geliefert bekomme, dann hätte ich zumindest gern eine Moral. Ansonsten ist mir meine Zeit einfach zu schade.
Finden wir das in diesem Buch? Fehlanzeige!

Aber worum geht es überhaupt?

Wir haben eine Frau, deren Namen wir nicht erfahren. Sie ist merkwürdig, und das ist noch schmeichelhaft ausgedrückt. Dass sie eine Einzelgängerin ist, finde ich generell nicht schlimm; allerdings ist das die logische Konsequenz ihrer Verhaltens- und Denkweisen. Sie stellt sich über ihre Mitmenschen, macht sich über andere lustig, und findet es erbärmlich, wie wir dem Glück und unseren Illusionen nachlaufen, wie wir leidenschaftlich lieben oder groß träumen. Denn das Leben ist relativ bescheiden und hat absolut keinen Sinn. Das stellt sie ganz schnell klar.

Aber so ganz ohne Gefühle ist die Dame auch nicht. Und so kommt es, dass auch sie auf die große Liebe ihres Lebens trifft. Sie wird ganz originell „der Mann“ genannt. Selbstverständlich ist diese Liebe nicht mit der von anderen Leuten vergleichbar. Sie ist still, respektvoll, ohne überschäumende Gefühle und definiert sich dadurch, dass man sich gegenseitig nicht auf den Geist geht. Der Mann ist in keiner Weise attraktiv, sondern zeichnet sich nur durch denselben Lebensüberdruss aus, und dadurch, dass auch er nicht gewillt ist, sein Elend allein zu frönen. Grandios!

Beide beschließen im Laufe des Buches Urlaub auf einer chinesischen Insel zu machen. Dort verschwindet der Mann; er kommt von einem Einkauf nicht mehr zurück. Und das, was die Frau darüber denkt, und wie es ihre Tage fortan beeinflusst, ist der Hauptteil des Buches. Sie ergießt sich in depressiven Gedanken, erzählt uns, wie eigentlich alles auf dieser Welt wertlos ist, dass es kein Zuhause gibt, und nichts, das sich lohnt zu tun oder zu erreichen.

Wir erfahren nicht, was mit dem Mann geschehen ist. Das einzige, was wir lesen dürfen, ist, wie die Frau sich in hässlichen, düsteren und menschenverachtenden Gedanken verliert; wie die Lethargie sie langsam zerfrisst, und sie kurz davor steht, verrückt zu werden.

Unterm Strich verschwendet die Autorin ihr sprachliches Talent und ihre Intelligenz damit, die Sinnlosigkeit einzufangen und zu dokumentieren – und für die Leser damit eine zermürbende Atmosphäre zu schaffen.

Beim Lesen musste ich mich oft von dem Roman distanzieren, ihn zuklappen und den Kopf schütteln, um nicht selbst mit dieser tristen Stimmung angesteckt zu werden.
Was ist es schon für eine Kunst, nach der Schlechtigkeit des Lebens zu suchen? Aufzugeben und sich darüber zu beschweren, das ist immer der einfache Weg. Das kann jeder; dazu brauche ich nicht noch die Hilfe eines Buches.

Ein Liebesroman?

„Der Mann schläft“ wird als Liebesroman angepriesen. Gut, da das zentrale Thema die Liebe zu dem Mann ist, ist diese Bezeichnung wohl berechtigt. Ich bin mir aber sicher, dass ganz viele Leser dadurch in die Irre geführt wurden.

Hier geht es nicht darum, wie sich Mann und Frau finden, und Widrigkeiten aus dem Weg räumen, um ihr Happy End zu genießen, sondern darum, die allgemeine Vorstellung von Liebe komplett zu zerstören. Alles das, was sie für die meisten Menschen ausmacht – Romantik, sexuelle Anziehung, übersprudelnde Gefühle – ist für Sibylle Berg unecht und albern. Unterm Strich bleibt nichts weiter, als der leise Wunsch, den anderen gesund und munter neben sich zu wissen.

Am meisten stört mich aber die zynische Einstellung der Protagonistin bzw. der Autorin (es wirkt alles sehr autobiographisch, und wer andere Bücher von Frau Berg kennt, weiß, dass diese verbitterte Art ihr Markenzeichen ist). Diese Selbstverständlichkeit: So ist das Leben und fertig, bringt mich auf die Palme. Ich weiß es besser, als ihr – diese Arroganz kann ich nicht ertragen. Am Ende habe ich das Buch wütend in die Ecke gefeuert.

Und eben, weil ich so emotional darauf reagiert habe, empfinde ich es als kein Buch, das man einfach in der Versenkung verschwinden lassen sollte. Mir ist es wichtig, Menschen mit einem sonnigen Gemüt, einer selbstverständlichen und lebensbejahenden Einstellung und einer liebe- und verständnisvollen Art von „Der Mann schläft“ abzuraten

Es ist kein leiser und zärtlicher Roman, der die Andersartigkeit einer Liebesbeziehung aufzeigt, sondern ein gehässiges Pamphlet, das versucht, allen leidenschaftlichen Menschen zu erzählen, wie lächerlich sie sind.
Sorry, Frau Berg, keine Chance…!