Als bekennender Fan düsterer Horrorfilme und Thriller hab ich schon so manchen Abend genussvoll-gruselnd vor dem Fernseher verbracht. Wirklichen Eindruck konnte bei mir aber bisher nur schaurige Lektüre hinterlassen, denn nur das geschriebene Wort versteht es, auch mit meiner Fantasie zu spielen. Also war es an der Zeit, einen weiteren Psychothriller in mein Bücherregal einzureihen. Bei meiner Suche wurde ich schnell auf den ebenso interessanten wie makabren Titel „Der Augensammler“ aufmerksam, der für 9,99 Euro im Nu in meinem Einkaufswagen landete. Schon das Cover glänzt mit einem blutigen Band und stimmt perfekt auf das Genre ein.

Und auch der erste Satz lässt ein unheimliches Lesevergnügen erwarten:

„Es gibt Geschichten, die sind wie tödliche Spiralen und graben sich mit rostigen Widerhaken tiefer und tiefer in das Bewusstsein dessen, der sie sich anhören muss.“ Tja, als bekennender Horrorkenner bin ich einiges gewöhnt, aber wir werden sehen.

Ein Serienkiller, genannt der „Augensammler“, versetzt eine Stadt in Unruhen und Schrecken und treibt ein perfides Spiel mit seinen Opfern. Er verschleppt Kinder, tötet zuvor die Mutter und stellt dem Vater anschließend ein tödliches Ultimatum: schafft er es, sein Kind binnen 45 Stunden und 7 Minuten zu finden, verschont er sein Opfer. Läuft die Zeit ab, bringt er das Kind ebenfalls um und hinterlässt seine grausame Handschrift: er entfernt den Opfern jeweils das linke Auge. Die Polizei ist ebenso machtlos wie verzweifelt, sieht sie sich doch einer scheinbar unlösbaren Aufgabe konfrontiert. Denn der Augensammler ist geschickt und brauchbare Spuren sind schier unauffindbar. Als der Augensammler erneut zuschlägt, erfährt Alexander Zorbach dies aus erster Hand und ist eine der ersten Personen am Tatort. Seit einem unglücklichen Vorfall hat Zorbach seinen Job als Profiler bei der Polizei aufgegeben und berichtet seither als Journalist über aktuelle Straftaten. Durch eine Verwicklung unglücklicher Zufälle verliert er sein Portemonnaie am Tatort und wird im Handumdrehen zum Hauptverdächtigen.

Das Blatt scheint sich jedoch zu seinen Gunsten zu wenden, als die mysteriöse und zugleich interessante Alina Gregoriev, eine blinde Physiotherapeutin seinen Weg kreuzt. Diese behauptet, durch bloße Körperberührungen in die Vergangenheit ihrer Patienten blicken zu können. Doch damit nicht genug, denn es scheint, als habe sie den Augensammler kürzlich tatsächlich behandelt und dadurch entscheidendes Wissen erlangt. Wenn auch Zorbach anfangs skeptisch ist und ihren Worten wenig Glauben schenken kann, wird er eines besseren belehrt, als Alina Details auf den Tisch legt, die eigentlich nur die Polizei und der Augensammler kennen können. Zorbach vertraut sich ihr an und beide machen sich auf die Suche nach dem grausamen Killer. Dabei geraten sie immer tiefer in die Fänge des Augensammlers und werden Teil seiner kranken Psychospielchen.

Ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen die Polizei beginnt, denn der nächste Junge ist bereits verschwunden und die Uhr tickt.

Rasantes Lesevergnügen – nichts ist, wie es scheint

Der Autor, Sebastian Fitzek, schafft es mit geschickt eingefädelten Elementen, eine enorme Spannungsgerade aufzubauen und während des gesamten Buches aufrechtzuerhalten.

Durch das Fokussieren auf die Kernhandlungen, wie der Entführung und der Jagd auf den Täter entsteht ein geradliniger und rasanter Erzählfluss, der den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann zieht.

Die geringe Anzahl der verschiedenen Charaktere lässt das Buch nicht an Komplexität einbüßen und ermöglicht dem Leser, sich ein genaues Bild von den Hauptpersonen zu machen. Auch an Tiefgang spart Fitzek nicht und macht die Figuren zu lebensechten und authentischen Menschen mit ihren ganz eigenen Ecken und Kanten. Der Leser muss schon genauer hinsehen, um Gut und Böse voneinander unterscheiden zu können, eine Vielzahl an Wendungen und Rätsel macht das Katz-und-Maus-Spiel schließlich perfekt.

Die richtige Portion Abwechslung erhält das Buch durch seine kurzen Kapitel aus jeweils ganz verschiedenen Erzählperspektiven, die die Seiten nur so dahinfliegen lassen.

Doch ein wirklich außergewöhnliches Extra wird bereits auf der ersten Seite deutlich: Das Buch beginnt nämlich mit dem Epilog und endet mit dem Prolog, ebenso laufen die Seitenzahlen rückwärts. Wenn auch diese Aufmachung auf den ersten Blick noch irritieren mag, wird das Rätsel des Ganzen buchstäblich mit der letzten Seite gelüftet.

Fazit: Spannender Thriller für Fans und Einsteiger

Fitzek gelingt es, einen Psychothriller zu kreieren, der ohne viel Blut auskommt und seinem Leser dennoch eine Gänsehaut bereitet. Wenn auch im Detail einzelne Schwächen zutage kommen, reiht sich „Der Augensammler“ von Sebastian Fitzek gekonnt in die Sammlung gut durchdachter Psychothriller ein. Zugegeben, für erfahrene Krimileser mag das Rätsel um den Täter nicht die größte Herausforderung sein, dieser Umstand ist aber zu verschmerzen. Trotzdem der Roman starke Krimi-Tendenzen aufweist, kann sich der Leser auf eine ordentliche Portion Grusel freuen.